Brücken aus Glas und ihre Sprengung

Guten Morgen Österreich, es ist wieder soweit, sehr bald ist Weihnachten und die wilde Jagd auf die letzten Kicks des Festtagsrausches hat begonnen. Jeder will es haben, aber wer ergattert das begehrte, zwei Tage alte Scherzerl, das im Brotkasten des Advents übriggeblieben ist? Das ist kein Witz und doch zum Lachen: Es gibt viele Wahrheiten, die parallel existieren, aber eine ist gewiß, und sie ist das Alpha-Männchen in der natürlichen Auslese des Schicksals: Im Wahn der selbstkreierten Ruhe- und Bedeutungslosigkeit lebt es sich leichter! Und so sicher wie der Caganer in einem katalonischen Krippenbild ist auch, daß ein Kausalnexus zwischen der Steifigkeit von Weihnachtsfeiern und der Ausgelassenheit der Waren-Industrie besteht. Am besten man verbrennt seine Geschenke gleich im Vorhinein! Während gleichzeitig Bethlehems Stall der Demokratie mit Molotow-Cocktails und Pfeil&Bogen verteidigt werden soll, dort wo Alis Express-Dropschiffe in See stechen, um fremde Märkte, geflutet von billigen Bluetooth-Kopfhörern und GoPro-Imitaten, implodieren zu lassen.

Bloß hat uns das nicht zu interessieren, man kann die Holzuhren-Werbung auf Instagram ja schnell wieder wegwischen. Viel wichtiger die Frage, wer in diesem kurzatmigen Rennen um ein Mehr an Nichts das Punschnäschen ein Strohgoldfadenbreit vorne hat. Wer bringt mehr Weihnachts-, Firmen-, Familien-, Vereins-, Verbands- und Benefizfeiern, Klassentreffen, Kaffee- und Kuchenkränzchen an einem Tag unter? Wer schüttelt mehr Hände, wer verteilt mehr Bussis und liebe Grüße, wer ist liebevoller, wer besinnlicher? Wie feiert man Silvester, und mit wem!? Und wäre es nicht opportun, einen zweiten unpersönlichen Weihnachtsnewsletter mit vorgefertigter, digitaler Grußkarte an „Frau Martin“ und „Herrn Barbara“ nachzuschießen? Bleib den andern Menschen als netter Mensch im Gedächtnis! Der liebe Gott wird dich reichlich belohnen, denk’ nur an das Senfkorn, in dem irgendwann die Vögel nisten.

Aber in diesen Fragen ist der bürgerliche Weihnachtschrist nicht zu einem eigenen Urteil befähigt. Gehen wir doch zur Alma Mater und fragen den Pontifex maximus, ob man schließlich heiliggesprochen wird, wenn man immerzu Brücken baut über Abgründe, die man gar nicht überqueren wollte. Was wird der Papst antworten? „In hoc signo vincis“, „Alles hat ein Ende, nur der Durst hat zwei“ oder gar „I really don’t care. Do you?“?

Nun, alle Jahre wieder brutzelt der (vegane) Lachs eingewickelt in Alufolie im Backofen, die Kekse sind angerichtet, der Tee wird kredenzt ..  die Türen sind verschlossen, die Wände aus wattigem Blei, die Stimmung gekünstelt weihevoll oder getragen von der ernüchterten Einsicht, daß es weniger Kraft kostet, das Weihevolle nicht produzieren zu wollen. Und sogar Facebook, Whatsapp, Insta ... werden in der Zeit der aufbrechenden verdrängten Konflikte verstohlener und mit größerem schlechten Gewissen aufgesucht als sonst – aber ist man sich in der Virtualität wirklich fremder als im Realen? Und was ist jetzt mit den Brücken? Die werden – so viel Spaß muß sein – zerstiebend funkeln wie Kristallzucker in der Sonne. Die Landung wird weich sein, im Frühjahr wachsen da unten Brennesseln zuhauf.



Kommentare

  1. Ich erinnere mich, wie wir eine Woche vor Weihnachten 1983 alle unterschrieben haben, Für einen Brief an die Männer. Es waren damals immer nur Männer. Die Männer der Arktis-Station. Ob am Südpol, oder am Nordpol, das weiß ich nicht mehr. Luftpostpapier. Der Brief ist damals wohl angekommen. Mit einem Flugzeug mit anderem Zeugs da für die Station...

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